In nomine ... Trinitatis: Das sogenannte "Protokoll", der Eingangsteil der Urkunde, beginnt mit der invocatio, der Berufung auf die Hl.Dreifaltigkeit (Gott Vater, Sohn und Hl.Geist).
Hludowicus: Ludwig "der Deutsche" (um 804 - 876); 3. Sohn Kaiser Ludwigs d. Frommen; urkundet ab 833 [Absetzung Ludwigs d.Frommen durch seine drei älteren Söhne Karl, Lothar und Ludwig] als selbständiger König; erhält im Vertrag von Verdun 843 das östliche Drittel des Frankenreiches. Der Beiname "der Deutsche" ist modern (18.Jh.) und Ausdruck einer Vereinnahmung des ostfränkischen Königs vonseiten einer nationalen Geschichtsschreibung.
divina favente gratia: Die Devotionsformel führt das Herrscheramt auf den göttlichen Auftrag und Beistand zurück, wie sie u.a. in der Salbung des Königs bei der Krönung zum Ausdruck kommen.
Hludowicus ... rex: In der intitulatio, dem zweiten Teil des "Protokolls", nennt sich der Aussteller selbst, hier verbunden mit der Devotionsformel divina favente gratia.































Oportet ... permanere: In der Arenga, dem Eingangsteil des eigentlichen Urkundentextes (auch "Kontext" genannt), finden sich allgemeine Erwägungen zur Bedeutung von Urkunde und Rechtshandlung, ohne dass hierin schon rechtsverbindliche Erklärungen erfolgen würden.
divino ... munere: Zur religiösen Seite des Herrscheramtes siehe auch die Devotionsformel (Z.1) in der intitulatio.































fideles: Fideles, "Getreue", kann einerseits einen dem König besonders verbundenen Personenkreis bezeichnen, meint hier jedoch eher die Gesamtheit der Untertanen (vgl. auch im Folgenden die Ausweitung auf die fideles futuri!)
pro suo amore: Suo wird hier, wie im Folgenden sui, statt eius gebraucht.






























sui: Sui steht hier statt eius; gemeint ist natürlich der Name Gottes.
eis ... ac: Unterbrechung der Satzkonstruktion; der mit ac pro suo amore loca begonnene Satz wird durch sub nostra defensione et tuitione suscipere aufgenommen.































devota mente: Verbindungen eines Adjektivs mit dem Abl. Sgl. von mens, "Sinn", "Gesinnung", die vereinzelt schon in klass. Zeit vorkommen, führten in den romanischen Sprachen zu den Adverbbildungen auf -ment bzw. -mente.
boni: B. dürfte als Nom.Pl.m. auf die oben genannten Stifterpersönlichkeiten bezogen sein; daneben ist die Interpretation als Gen. partitivus in Abhängigkeit von quidquid zu erwägen.































valeat: Valere ersetzt im Mlat. zuweilen posse "können".































Quapropter comperiat ... sollertia: Die promulgatio oder publicatio bringt als erster rechtlich bedeutsamer Teil des "Kontextes" den Willen des Ausstellers der Urkunde zum Ausdruck.
fidelium ... sollertia: Das Abstraktum sollertia ist hier an Stelle des abhängigen Genitivs fidelium Subjekt zu comperiat. Gemeint ist: "alle unsere einsichtigen Getreuen mögen erfahren ..."
fidelium: Siehe oben zu fideles (Z.3).
qualiter: Im Mlat. ersetzt häufig (wie in den romanischen Sprachen)ein Konjunktionalsatz mit quod, quia oder qualiter ("dass") einen a.c.i.
qualiter ... propinquorum: In der narratio kommen die Tatbestände zur Sprache, die letztlich zur Beurkundung geführt haben, sie enthält also den faktischen Kern des Rechtsvorgangs.
Theodricus: Dietrich I. (Theodoricus), 853 - 880 Bischof v. Minden. Fiel 880 in einer Schlacht gegen die Normannen. Begraben in Kloster Ebstorf.































Mindonensis: Minden in Westfalen (ahd. mimthum, lat. Minda) war unter Karl d.Gr. zum Bistum erhoben worden (Petrus-Patrozinium des Kölner Erzbistums); das Bistum wurde im Westfälischen Frieden aufgehoben.
in honore: Im Mlat. kann der Abl. bei in zuweilen den Akk. ersetzen.
sancti Petri: Entsprechend dem Bistumspatrozinium Mindens, wurde das Wunstorfer Stift zunächst dem Hl.Petrus geweiht. Erst nach der Zerstörung durch Blitzschlag (1010) wurde es von Erpo, einem Bruder Dietrichs II. v. Minden (Bischof 1002 - 1022), unter dem Patronat der Hll. Cosmas und Damian wiedererrichtet.





























Wonheresthorp: Die Deutung des Namens, der hier das erste Mal belegt ist, bleibt unsicher. Vermutet wurde u.a. ein altsächsischer Sippenführer als Namengeber, der im Schutz der Aueläufe eine Siedlung gegründet habe. Während -thorp(e) eindeutig nhd. Dorf entspricht, könnten sich im ersten Teil auch alteuropäische Gewässernamen verbergen (vgl. zu won- und heri- H.Bahlow, Deutschlands geographische Namenwelt, Ffm 1965, ND 1985, s.v. 'Herford' und 'Wanfried'). In Urkunden erscheint später die mnd. Namensform Wunstorpe bzw. das latinisierte Wunstorpium.
ad: Das im klass. Latein bei einigen Verben übliche Dativobjekt wird im Spät- und Mlat. öfters durch ein präpositionales Objekt (ad + Akk.) ersetzt. Vgl. den Ersatz des lat. Dativs durch ein Gefüge mit der Präp. a / à in den romanischen Sprachen!





























ancillarum Christi monasterium: Die mlat. Terminologie ist im Bereich der klösterlichen Gemeinschaften unscharf. Es handelte sich hier vermutlich um ein Kanonissenstift, dessen Mitglieder nicht den Strengen Geboten der Benediktinerregel folgten, sondern sich z.B. in Kleidung und persönlichem Besitz von den Ordensklöstern unterschieden. Ludwig d. Fromme, der Vater Ludwigs d. Deutschen hatte auf dem Aachener Reichstag 816 den Stiftsgemeinschaften eine einheitliche Grundlage gegeben.
mansos: Mansus, "Hufe", bezeichnet einen Anteil an Ackerland und Allmende und ist zuweilen identisch mit einer "Hofstelle".
litorum: Liti, "Liten" oder "Laten", bezeichnet halbfreie Bauern, die zwar (anders als Leibeigene, mlat. servi) persönlich frei sind, aber rechtlichen Beschränkungen von Seiten ihres Grundherrn unterliegen.





























ducenta aratra decimarum: Aratrum, "Pflug", ist hier als Flächenmaß für Ackerland verwendet. Gemeint ist also das Zehntaufkommen von 200 solcher aratra.



























ad regendum: Die präpositionale Fügung mit ad + Gerundium gibt den Zweck an, zu dem das Stift unter der Oberhoheit der Mindener Bischöfe verbleiben soll. Coenobium ist Subjekt zu consistat.





























regulariter: Die Kanoniker-/Kanonissenstifte richteten sich im Frankenreich ab 816 nach den Aachener Institutionen Ludwigs d. Frommen (vgl. zu Z.10), auf sächsischem Gebiet jedoch auch darüber hinaus mehr oder weniger streng nach der Benediktsregel.
licentiam eligendi abbatissam: Das Privileg der freien Äbtissinnenwahl versuchte die durch das germanische Eigenkirchenwesen verstärkte Bevormundung der Konvente durch weltliche Herren einzuschränken; allerdings war damit ein Eingriff anderer Mächtiger, zumindest der des zuständigen Bischofs, in bestimmten Fällen nicht gänzlich ausgeschlossen.





























pro vestitura subiectionis: wörtl. "für die Unterwerfungsinvestitur"; die jährliche Abgabe ist Zeichen für die Unterordnung der Stiftsgemeinschaft unter die Oberherrschaft des Bischofs von Minden. Die "Investitur" (wörtl. "Einkleidung") ist im Lehnsrecht die Einweisung eines Lehnsmannes in sein Lehen, im Kirchenrecht die Einsetzung in ein geistl. Amt, ggf. nach einer Wahl. In beiden Fällen wird der Rechtsakt durch die Übergabe dinglicher Symbole begleitet.





























Et idcirco ... iuberemus: Die petitio leitet von der narratio zur dispositio (vgl. zu Z.17) über. In ihr wird der Antragsteller ("Petent") genannt und seine Bitte wiedergegeben.





























per quod ... delectet(Z.22):Die dispositio beinhaltet den eigentlichen Rechtsakt, hier also die Verleihung des königlichen Schutzes für die Gründung Dietrichs.





























sub nostrae immunitatitis tuitione ac defensione: Die ma. "Immunität" (I.) entwickelte sich aus der Abgabenbefreiung (Ableitung von munus,-eris n. i.d. Bedeutung "Dienst", "Aufgabe") kaiserl. Domänen in der Spätantike. Im MA beinhaltet sie u.a. einen gesonderten Gerichtsbezirk. Seit karolingischer Zeit entwickelt sie sich mehr und mehr zu einem Obereigentum des Königs an den mit I. privilegierten Kirchen. Hierzu trägt die Verbindung der Verleihung des Königsschutzes bei.
tuitione ac defensione: Zum zweigliedrigen Ausdruck vgl. das dt. "Schutz und Schirm"!





























Et, ut haec ... iussimus: In der corroboratio nennt der Aussteller die Rechtmittel, mit denen er die Glaubwürdigkeit der Urkundenaussage bekräftigt.











































manu propria nostra: Siehe die Anmerkung zu Z.25!











































Signum ... serenissimi: Das "Eschatokoll" beginnt mit der "Signumszeile", die u.a. das Monogramm (= M.) des Herrschers umfasst. Von karolingischer bis in salische Zeit trägt der Herrscher in das Monogramm eigenhändig (vgl. manu propria nostra, Z.24) den sogen. "Vollziehungsstrich" ein.





























Euerhardus ... subscripsi: Das "Eschatokoll" wird mit der "Rekognitionszeile" fortgeführt. In ihr beglaubigt der verantwortliche Kanzleibeamte die korrekte Ausfertigung der Urkunde. In karolingischer Zeit ist dies im Allgemeinen der oberste Notar bzw. der Kanzler (cancellarius) in Vertretung für den eigentlichen Vorsteher der Kanzlei, den Erzkanzler (archicancellarius).
Eberhardus: E. (oder: Hebarhard) ist seit 868 als Kanzler Ludwigs des Deutschen nachweisbar; er war maßgeblich an der Einführung der lesbareren Minuskel anstelle der merowingischen Kursive als Urkundenschrift beteiligt.
Liudberthi archicappellani: Liutbert (Liudberthus), von 863 - 889 Erzbischof von Mainz. Mit ihm beginnt (seit 870) die ca. tausendjährige Verbindung des Amtes des Erzkaplans und des Erzkanzlers mit dem des Mainzer Erzbischofs, der damit sowohl geistlich wie weltlich eine Sonderstellung im Reich einnahm.






























Data ... regio: Das "Eschatokoll" wird mit der "Datierungszeile" fortgesetzt. Der deutsche Begriff "Datum" geht auf das einleitende Partizip datum (data hier Nom.Sgl.f., bezogen auf das vorausgehende auctoritas i.S. von "Urkunde", oder Nom.Pl.n., wobei sunt haec zu ergänzen ist) dieser Urkundendatierung zurück, das in Briefformeln seine Entsprechung fand (Brief und Urkunde überschneiden sich sowohl begrifflich [vgl. Meisterbrief!] wie in ihrer formalen Anlage [Nennung von Aussteller und Adressat, Grußformeln etc.]; dt. "Brief" geht zurück auf lat. breve für eine kurze (päpstliche) Urkunde!).
pridie Idus Octobris: "Die römische Datierung ist im frühen Mittelalter die verbreitetste Tagesbezeichnung." (H.Grotefend, Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit, Hannover 131991, 16). Ob Octobris hier, wie in klass. Latein, als Akk.Pl.f. (statt Octobres) oder, wie in mlat. Texten durchaus üblich, als Gen.Sgl.m. (mit zu ergänzendem mensis, "Monat") aufzufassen ist, muss offen bleiben.
anno ... Hludowici: Die Jahresbezeichnung nach der Regierungszeit des Herrschers ist in Königs- und Kaiserurkunden üblich (und bereits spätantik; vgl. das Vorbild der röm. Jahresangabe nach Konsulaten!). Seine Regierungsjahre zählt Ludwig der Deutsche üblicherweise ab 833 (s. zu Z.1), so dass wir auf 865 als Ausgabejahr kommen. Dem stehen die Angaben in der Rekognitionszeile entgegen (s. zu Z.26). "Das itinerar und die ind.<iktion> (s. zu Z.28) (vgl. no 1482, 1483) fordern bei dieser und der folgenden urk. die einreihung zu 871." (Regesta Imperii, Abt. I,1 Abt. I,1 Karolinger: Regesten 751-918 (924),hg. E.Mühlbacher/ J.Lechner, Innsbruck 1908, Nr.1489)





























indictione IIII.: Die "Indiktion" gibt die Jahreszahl im 15-jährigen römischen Steuerzyklus an, beginnend mit 3 v.Chr. Die Indiktionszahl entspricht dem Rest, der sich bei der Rechnung (Jahreszahl + 3):15 ergibt. Die Zahl 4 (IIII. ist neben IV. bereits in der Antike üblich!) ergibt sich in den Regierungsjahren Ludwigs für (841), 856, 871.
Actum in Franconoford, palatio regio: 794 hatte Karl d.Gr. an Stelle der 790/1 abgebrannten Pfalz Worms den Königshof (villa) Franconovurd zum Tagungsort einer Synode bestimmt. Hier ließ auf dem späteren Domhügel Ludwig der Fromme um 822 eine Pfalz errichten. Ludwig der Deutsche hielt sich hier - neben Regensburg - am häufigsten auf, so dass ein späterer Chronist von der principalis sedes orinentalis regni (Regino,chron.a.876, MGH SS 7,50 [Hannover 1890], p.111,20) sprechen konnte.
In Dei nomine feliciter. Amen: Mit der apprecatio, einem Segenswunsch, der den letzten Teil des Eschatokolls darstellt, schließt die Urkunde. Mit der invocatio (s. zu Z.1) bildet die apprecatio eine Klammer und stellt die Verfügungen des Herrschers noch einmal unter Gottes Schutz. Vergleichbar ist auch das explicit, der Schlussvermerk des Schreibers in ma. Handschriften!